Freiheit und Sicherheit
zu Deutsch | Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. 1775, Benjamin Franklin
Mit diesem Zitat wird sowohl ein Paradox, als auch eine Stimmigkeit dieser beiden Begriffe zueinander gezeigt, die damals uns heute ihren Platz finden. Vorweg sei zu erwähnen, dass Freiheit einen Nährboden in Form von Sicherheit braucht, um zu wachsen. Durch die Maslowsche Bedürfnispyramide lässt sich dieses Verhältnis auch begreifbar machen. In dieser Pyramide werden fünf Bedürfniskomplexe beschrieben, die sowohl voneinander abhängen sind als auch Einfluss aufeinander haben. Zugrunde dieser Bedürfnisse liegen die Existenz- bzw. Grundbedürfnisse, wie zum Beispiel das Atmen, Essen, Trinken und Schlaf. Hier ist zu erkennen, dass die Sicherheit bzw. Sicherung dieser Grundbedürfnisse etabliert sein muss, um überhaupt Leben zu ermöglichen, in welchem schlussendlich Freiheit überhaupt gelebt werden kann.
Die zweite Ebene dieser Pyramide nennt sich Sicherheitsbedürfnis. Diese beschreibt auf unser System bezogen, einen sicheren Arbeitsplatz, ein Eigentum in Form von Haus, Auto oder Wohnung, um nur einige Beispiele zu nennen.
Mit der Etablierung solcher Sicherheiten werden automatisch und ohne einer bewussten Entscheidung dazu Freiheiten aufgegeben, sei es der Kredit, der den Hausbau ermöglicht, jedoch einem Menschen die Freiheit nimmt, mal einen Monat kein Geld zu verdienen, um sich beispielsweise neu auszurichten, oder um sich im Falle einer Krankheit der Genesung zu widmen. An dieser Stelle zeigt sich bereits das Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit, wobei zuvor die Sicherheit die Freiheit erst ermöglichte, steht sie ihr jetzt im Weg. Die Frage, wieviel Sicherheit braucht es, um wirklich frei zu sein, steht der Aussage Benjamin Franklins gegenüber und ist durchaus berechtigt.
Die dritte Ebene sind die Sozialen Bedürfnisse, die in Form von beispielsweise Familie, Freundschaft, Gruppenzugehörigkeit dargestellt werden können.
Jedoch sind diese Bedürfnisse individueller geprägt als die der ersten Ebene.
Hier zeigt sich eine Form der Freiheit, nämlich die Freiheit, das eigene soziales Leben zu wählen.
In einer Welt, in der diese Bedürfnisse abgedeckt sind, ist die Wahl ein freies LGBTIQ-Leben zu führen eine Wahl, die schlicht den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen des Individuums folgt. Es bräuchte keine gesellschaftliche, systemische oder sonstige Absicherung, um jenes Leben frei zu wählen. Mit anderen Worten, ein Outing wäre nicht von Nöten. Jedoch leben wir (noch) nicht in einer solch flexiblen Welt. Und auch wenn sich jemand Freiheit(lich) nennt, jedoch mit Sicherheit wirbt, hat diese Person Essentielles falsch verstanden, denn Sicherheit wird keinesfalls durch Verbote und/oder Ausgrenzung von Minderheiten erreicht, schon gar nicht die Freiheit.
Die letzten beiden Ebenen dieser Pyramide sind Individualbedürfnisse und die Selbstverwirklichung. Hierbei handelt es sich bereits um einen transzendenziellen Bereich, der sich mit Begriffen wie Zielverwirklichung, Erfolg im Beruf oder anderen Erfolgen beschreiben lässt. Diesen Bedürfnisse sind jedoch höchst individuell geprägt.
Um auch die Religion (hier das Christentum) an dieser Stelle nicht außen vor zu lassen, wäre im Spannungsfeld der Freiheit und der Sicherheit auch die Auferstehung Jesu ein Symbol jener Widersprüchlichkeit. Er konnte, so die Schrift, Bedürfnisse der ersten Ebene (Atmen, Leben) aufgeben und dennoch zurückkehren. Die höchste Form der Freiheit durch den Tod und dessen Reversibilität wird durch dieses Bild vermittelt. Somit ist in der höchsten Transzendenz und aus philosophischer Sicht das Zitat zu Beginn durchaus begreifbar, jedoch die Umsetzbarkeit bzw. das Wie steht weder in der Bibel, noch in anderen philosophischen oder religiösen Schriften geschrieben. Denn wie könnte es die Freiheit geben, wenn das Wie ohnehin gesichert ist?
Lukas Neumüller
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